Man sieht mir nicht unbedingt sofort an, dass ich schwerbehindert bin. Ich komme mit allem ganz gut zurecht und es könnte wirklich schlimmer sein.
Dennoch brauche ich in gewissen Situationen Unterstützung oder einfach nur Sicherheit - und das wird sich auch niemals ändern.
So auch bei dieser eigentlich simplen, alltäglichen Tätigkeit: Treppensteigen.
Aufgrund meines schlechten Gleichgewichtssinns ist es mir nicht möglich mich beim Treppensteigen auszubalancieren. Ich kann keine Treppen freihändig bewältigen und benötige immer ein Geländer zur Absicherung.
Schon einzelne Stufen, Kanten oder Bordsteinkanten können für mich zum Problem und zur echten Stolpergefahr werden.
So gelangt man beispielsweise zu manchen Hauseingängen erst durch zwei Stufen. Für mich allein einfach nicht machbar.
Das ist inzwischen auch eine Sorge bei Einladungen zu Vorstellungsgesprächen.
Ich war einmal beim Gespräch bei fritz Kulturgüter in der Liebigstraße.
Nicht nur, dass allein schon das Kopfsteinpflaster in diesem Industriegebiet eine Stolpergefahr für mich darstellt. Nein, der Weg in das Gebäude hinein führte auch noch über ein paar Stufen - ohne Geländer.
Ich stütze mich in solchen Situationen an der Wand ab. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass selbst das mir nicht ausreichend Sicherheit gibt. Zunehmend schlecht, wenn dann sowohl auf der einen als auch auf der der anderen Seite Aschenbecher und rauchende Menschen im Weg sind.
Ja, dann auf dem Rückweg über die Stufen hinab habe ich mich auch wirklich auf meinen Hosenboden gesetzt, da ich mich halt nicht genug absichern konnte ohne Geländer.
Gerade in solchen Situationen wünsche ich mir, es wäre niemand da, der mich sieht. Der sieht, wie ich mich abkämpfe. Der so offensichtlich sieht, dass ich nicht ganz gesund bin. Selbst wenn ich die Situation dann ohne Zwischenfall meistere.
In dieser konkreten Situation ließen sich Zuschauer jedoch nicht vermeiden. Es waren viele Raucher draußen und ich hätte es komisch gefunden so lange zu warten, bis sie weg waren.
In dieser Situation, als ich meinen Halt verlor, fragte man mich dann wenigstens, ob ich Hilfe bräuchte.
Ja, es gibt noch hilfsbereite Menschen. Wenn auch viel zu wenige, wie ich zuletzt berichtete.
Letzten Endes war ich auch gar nicht so traurig darüber, dass fritz mich nicht eingestellt hat. Solch eine Gefahrensituation beim Arbeitsweg ist auf Dauer einfach nicht tragbar - so klein sie anderen auch erscheinen mag.
Folgende skurrile Jobsituation hatte ich erst vergangenen Oktober:
Ich war über einen Personalvermittler zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.
Da mein Vermittler von meiner Körperhinderung wusste, betonte er extra darauf geachtet zu haben, dass ich den Firmeneingang ebenerdig erreichen kann. Das fand ich wirklich ausgesprochen nett.
Ich guckte nicht schlecht, als ich im Foyer die fünf Stufen sah, die zum Firmeneingang im Erdgeschoss führten, natürlich auch diese ohne Geländer.
Das ist also ebenerdig für gesunde Menschen. „Logischerweise“ fuhr der Fahrstuhl auch erst ab dem Erdgeschoss, also nach den Stufen.
Es gibt einfach so viele Dinge, auf die gesunde Menschen oder gar die Architekten nicht achten. Es sind aber diese Kleinigkeiten, die beeinträchtigten Menschen den Alltag erleichtern oder einfach so erschweren können.
Schon des Öfteren musste ich also feststellen, dass Geländer manchmal nicht durchgängig sind und oft schon vor der letzten Stufe enden. Das heißt: Habe ich zunächst die helfende Sicherheit, muss ich auf einmal die letzten Stufen wieder freihändig und ohne Geländer und demnach ohne Sicherheit bewältigen.
Wo ist darin der Sinn? Es gibt keinen. Was haben sich die Architekten dabei gedacht? Offenbar nichts.
Dies fällt mir nicht nur an Baustellen mit temporären, sporadischen Holzgeländern auf, sondern erstaunlicherweise auch in Innenbereichen, z.B. in Kinos.
Ein weiteres, merkwürdiges Phänomen meiner Mitmenschen ist, dass diese gern in Treppenübergängen zum nächsten Bahnsteig stehen bleiben. Meist, um sich vor Regen, Kälte oder Wind zu schützen.
Interessanterweise tritt dieses Phänomen aktuell fast täglich bei meinem Arbeitsweg über Berliner Tor auf, obwohl dessen Bahnsteige zur S1/S11 recht gut vor diversen Witterungsbedingungen geschützt sind.
Ja, wenn die Menschen in den Übergängen stehen bleiben, bleiben sie zumindest an der Seite und nicht mitten im Weg stehen - allerdings für mich mitten im Weg, da sie mir das Geländer versperren.
Manchmal wechsele ich dann einfach die Seite, da ich nicht wirklich Lust habe die Leute immer anzusprechen. Meist ist es aktuell nur so, dass auf der anderen Seite dann auch Menschen stehen.
Warum können sich die Menschen nicht einfach ganz normal auf den Bahnsteig stellen? Es nervt einfach und ich gehöre nun auch nicht zur einzigen Menschengruppe, die das Geländer benötigt.
Manche Menschen sind nett, wenn ich sie dann anspreche oder machen auch schon vorher für mich Platz. Manche gucken verständnislos.
So hatte ich vor Jahren in Berlin einmal eine Situation, in der ich, wie beschrieben, die Treppenseite wechselte. Also lief ich auf der linken Seite, statt normalerweise auf der rechten.
Eine Oma kam mir entgegen und pflaumte mich an, dass man gefälligst rechts zu gehen habe.
Als ob nur sie Hilfe bräuchte nur weil sie alt ist.
So schließe ich den Kreis zum Anfang: Oft sieht man es Menschen nicht an, dass sie Hilfe brauchen.
Also, liebe Mitmenschen: Get out of my way oder bietet einfach mal eure Hilfe an.
Seid bitte einfach etwas aufmerksamer, respektvoller und freundlicher.
Das würde Menschen wie mir den Alltag so sehr erleichtern und angenehmer gestalten.