Es sind die Kleinigkeiten

 

Wie ich schon einmal erwähnt habe, fällt es den Menschen, mit denen ich regelmäßiger zu tun habe, nicht unbedingt sofort auf, dass ich schwerbehindert bin.

Viele denken an einen Unfall, den ich erst kürzlich hatte oder trauen sich erst nach gewisser Zeit genauer nachzufragen. Interessanterweise scheint auch da kaum jemand direkt an eine Behinderung zu denken.

 

So sprach mich erst kürzlich mein Kollege, als wir nach Feierabend zusammen zur Bahn gingen, auf meine Füße an.

Ich finde es schön gefragt zu werden. Ich mag es, wenn Leute aufmerksam sind. Und offen bin ich in dieser Hinsicht schließlich schon immer gewesen.

 

Am selben Tag auf dem Heimweg kam ich bei mir zu Hause am S-Bahnhof Allermöhe an und wollte noch einkaufen gehen.

 

Bei uns auf dem Fleetplatz befand sich ein kleiner Stand mit Promotern.

Ich habe bereits von weitem erkannt, dass mich der eine Promoter schon im Visier hatte.

 

Normalerweise lasse ich dann meine Kopfhörer drin oder gucke erst recht auf mein Handy, um ihnen besser ausweichen zu können oder gar nicht erst angesprochen zu werden.

Aber dieses Mal - und ich weiß nicht genau woran es lag - war ich aufgeschlossener und ließ mich ansprechen.

 

Es waren Leute vom Arbeiter Samariter Bund (ASB) und ich kam mit dem jungen Promoter ins  Gespräch - nicht nur in eins dieser üblichen „Verkaufsgespräche“.

 

Sie sammelten Spenden für ein Kinderhospiz - vielmehr Spenden dafür, um den Kindern eine kleine Freude zu machen, ihnen etwas zu ermöglichen.

 

Wir kamen also in ein total ungezwungenes Gespräch.

Ich erzählte, dass ich früher im Rollstuhl saß usw., was er gar nicht fassen konnte und daher erst mal seiner Kollegin von meiner Geschichte erzählen musste.

 

Ich habe schnell erfahren, dass er nicht nur Promoter ist, sondern wirklich Ahnung von dem hat, was er tut. Er hatte selbst im Hospiz gearbeitet und einen Bruder, der starker Spastiker war und u.a. gar nicht sprechen konnte.

Und dann kam das, was mich absolut verblüfft hatte.

 

Er habe schon von weitem erkannt, noch als ich auf der anderen Straßenseite war (etwa 50 Meter entfernt), dass auch ich Spastikerin sei. Woran? An meiner Handhaltung.

Das war auch mir wirklich neu.

Sonst werde ich schließlich auf meine Füße angesprochen, wie gerade erst kurz vorher von meinem Kollegen.

 

Ich sehe mich nicht als Spastikerin. Obwohl auch bei meiner Behinderung (kleine) Spasmen tatsächlich eine Rolle spielen.

Außerdem wissen viele Leute nicht wohin sie mit ihren Händen sollen und haben dadurch zum Teil komische Handhaltungen, oder nicht? Und dann hatte ich auch noch eine Umhängetasche, wodurch ich ohnehin meinen Arm irgendwie komisch auf meine Tasche legen musste.

Ja, es brachte mich gewaltig zum Nachdenken.

 

Aber ja, er wird auch Recht gehabt haben, denn ich verkrampfe wirklich manchmal. Unter Stress und wohl also auch unbewusst. Er hatte ja durch seine persönlichen Erfahrungen sowieso einen anderen, geschärften Blick dafür.

 

Mich beschäftigt es noch immer, aber umso interessanter ist für mich die Erkenntnis, dass wieder einmal nicht auf meine Füße geachtet wurde, die ich für das Auffälligste an meiner Behinderung halte - vielleicht aber auch nur bis jetzt.