Der Flügelschlag eines Schmetterlings kann woanders auf der Welt einen Tornado auslösen, sagt man. Das ist der Butterfly-Effect.
Oder anders gesprochen: Kleine Ursache, große Folgen.
So erging es mir diese Woche.
Meine Arbeitsstelle liegt aktuell direkt am Hafen und so habe ich jeden Morgen auf meinem Arbeitsweg einen fantastischen Blick auf die Elbphilharmonie, die Musical-Theater und die Speicherstadt.
Entsprechend sind dort die Wetterverhältnisse auch immer noch etwas stärker, als bei mir zu Hause in Bergedorf.
Anfang der Woche hatten wir typisches Hamburger Wetter: Wind, Wolken über Wolken und Regen, Regen, Regen.
Der kurze Rückweg vom Büro bis zum U-Bahnhof Baumwall genügte, dass meine Haare klitschnass wurden - und meine Hose übrigens auch.
Denn an einer Ampel an einer der Brücken stolperte ich und fiel auf die Straße, inmitten auf den nassen und dreckigen Asphalt.
Die eigentliche Ironie dabei: Auf meinem Weg gibt es viele Pflastersteine, die eine noch viel größere Stolpergefahr für mich darstellen. Dort ist mir nie etwas passiert. Aber ausgerechnet beim Fußgängerübergang falle ich. Wo eigentlich gar nichts ist, auf das ich besonders achten müsste.
Das Problem aber vor allem ist, dass ich einfach schwer alleine hoch komme, wenn ich gefallen bin. Egal, wie viel oder wie wenig Gepäck ich gerade mit mir herum trage. Dazu fällt mir zur Zeit alles noch schwerer, als sonst. Aber das ist eine andere Geschichte.
Ein in dem Moment noch viel größeres Problem allerdings war, dass ich zu dem Zeitpunkt zwar eine Kollegin an meiner Seite hatte, diese mir aber keine große Hilfe war.
Sie reichte mir zwar eine Hand, aber zum einen ziemlich lieblos und zum anderen reichte mir diese eine Hand einfach nicht zur Stabilisation.
Da kniete ich also am Anfang der Straße, mitten im strömenden Regen und musste förmlich darum betteln, dass sie mir auch ihre zweite Hand zur Hilfe reichte.
Noch war die Ampel grün, aber das konnte sich jede Sekunde ändern und die Autos warteten schon.
Schließlich schaffte ich es auf und es war alles gut. Nichts tat weh. Mir war es zwar etwas unangenehm, aber zu ändern war es ja nun auch nicht mehr.
Zu Hause hing ich dann meine Hose und alle anderen nassen Schichten erst einmal über die Heizung.
Neuer Tag, neues Glück.
Das Geschehene vom Vortag hatte ich schon wieder vergessen.
Am Morgen hatte ich einen Zahnarzttermin und kam daher erst mittags ins Büro.
Kaum war ich an meinem Platz, wurde ich förmlich von allen Seiten belagert und gefragt, wie es mir gehe. Ich sei doch gestürzt, haben sie gehört.
Sogar meine Vorgesetzte kam zu mir und erkundigte sich nach meinem Wohlbefinden und schien erst sehr besorgt.
Ich mag meine aktuelle Vorgesetzte, weil sie einfach menschlich ist. Sie weiß, dass Gesundheit wichtiger ist, als alles andere.
Und dennoch wollte ich nicht, dass ausgerechnet auch noch meine Vorgesetzte davon erfährt.
Zumal es nur ein Sturz war, nichts Schlimmes. Das kann schließlich jedem mal passieren, mit Behinderung oder ohne.
Ich hätte das niemals an die große Glocke gehangen und vor allem gar nicht erst erwähnt.
Die Kollegin, die mich den Vortag begleitet hatte, ist recht kommunikativ (wie der Personaler es im im Arbeitszeugnis formulieren würde) und so kam mir der Gedanke, dass sie sofort davon erzählt haben wird und das Ganze umso mehr aufgebauscht und damit schlimmer gemacht hat, als es in Wirklichkeit war.
Und nun musste ich mich der Belagerung stellen und die ganze Situation entschärfen.
Von einer Kollegin erfuhr ich später, die andere Kollegin soll erzählt haben ich habe mich durch den Sturz schwer verletzt und würde heute sicher nicht zur Arbeit kommen.
Ich konnte es gar nicht fassen.
Okay, vielleicht hat sie eine Verletzung darin interpretiert, dass ich nicht ohne Hilfe aufstehen konnte. Schließlich hat sie keine rechte Ahnung von meiner Behinderung.
Aber wie hätten wir dann gemeinsam zum Bahnhof kommen sollen, ohne weitere Probleme?
Ich war fassungslos darüber, was aus einem harmlosen Sturz alles werden konnte.
Am nächsten Tag sprach ich kurz mit besagter Kollegin darüber, warum sie gleich gesagt habe ich würde nicht kommen.
Das hätte sie gar nicht, sie hätte sich nur Sorgen gemacht, weil ich am späten Morgen immer noch nicht im Büro war und ging deswegen auf meine Vorgesetzte zu.
Bei dieser war jedoch mein Arzttermin selbstverständlich von mir vorangemeldet worden.
Ich weiß natürlich nicht, welche Version stimmt. Was wirklich alles kommuniziert wurde. Ich war schließlich nicht dabei.
Die letzte Variante, die der Aussprache, scheint mir jedoch die realistischere zu sein.
Schließlich wusste sie nichts von meinem Arzttermin, der schon seit Wochen feststand.
Daher kann ich ihre Interpretation verstehen und ich habe natürlich lieber Kollegen und Vorgesetzte, die sich Gedanken um mich machen, als gar keine.
Aber an diesem Vorfall merkt man mal wieder, wie die stille Post funktioniert - oder eben der Butterfly-Effect.