Der Alltag mit Behinderung ist nicht immer einfach, auch wenn es sich bei mir „nur“ um eine Gehbehinderung handelt.
Ja, mittlerweile habe ich meinen Mann, der mir viel abnimmt, einfach wie selbstverständlich.
Natürlich bin ich darüber mehr als dankbar, schließlich erleichtert es mir den Alltag.
Und doch will ich noch immer so selbstständig sein, wie möglich. Schließlich habe ich das auch vier Jahre in Berlin geschafft, als ich alleine wohnte, eine Stunde von den Eltern entfernt und gesundheitlich noch nicht so fit war wie heute.
Einkaufen fängt mit hohen Regalen an.
Ja, das hat erst mal nicht viel mit meiner Behinderung an sich zu tun.
Aber meine Größe ist eine Folge meiner Krankheit und durch meinen zusätzlich schlechten Gleichgewichtssinn kann ich mich nicht auf Zehenspitzen stellen, um höhere Stellen besser zu erreichen.
Es geht mit den heutigen Einkaufswagen weiter.
Viele sind so tief, dass ich nicht einmal wirklich mit den Fingerspitzen auf den Boden komme.
Stelle dir einen vollen Einkaufswagen vor.
Der Kleinkram landet doch sowieso meist unten und wird dann als Letztes auf das Band gelegt.
Mit Greifzange wollte ich nun wirklich ungern einkaufen gehen.
Rollifahrer sehe ich oft mit einem Rucksack auf dem Schoß einkaufen. Dass dieser auch mal beim Fahren umkippt oder gar die Sicht versperrt, macht auch ihnen das Einkaufen nicht gerade leichter.
Rolli-Einkaufswagen habe ich bisher nur äußerst selten in Supermärkten gesehen.
Was mir weiter aufgefallen ist: Es gibt mehr und mehr Tiefkühltruhen in den moderneren Supermärkten, die sehr tief sind.
Wenn dann meine Lieblingspizza hinten einsortiert wurde und fast ausverkauft ist, komme ich da einfach nicht ran.
Zum einen sind meine Arme zu kurz und zum anderen bin ich schlichtweg zu klein.
Im Gegensatz zur Greifzange war ich wirklich schon einmal am Überlegen vorsorglich mit Hocker einkaufen zu gehen. Auf den hätte ich mich zur Not stellen können, um meine Lieblingspizza doch noch zu bekommen.
Nach dem Einkaufen muss das alles natürlich noch nach Hause gebracht werden.
Diese Woche habe ich unseren Drogerie-Großeinkauf alleine erledigt, ohne Trolli oder andere übergroße Tragetaschen.
Ich hatte nur einen größeren Beutel und meine zwei Hände.
Aus diesem Großeinkauf wurde ein 6,3 kg schwerer Beutel sowie 2 Packungen Küchentücher sowie 2 Packungen Toilettenpapier - nicht nur sperrig und unhandlich, sondern bei der Masse auch zusätzliches Gewicht.
300 Meter Fußweg nach Hause fühlen sich für mich da schnell an wie 3 Kilometer.
Es war warm, ich zusätzlich viel zu warm angezogen, zwei Tüten an jeder Hand plus Beutel über der Schulter, der alle paar Meter von der Schulter rutschte.
Ein junger Mann aus dem Studentenwohnheim um die Ecke fragte mich, ob er mir helfen könne.
Ich muss zum Teil beim Einkaufen und Tragen echt so unbeholfen und hilflos aussehen…
Obwohl ich nicht oft gefragt werde - gerade nicht von jüngeren Menschen - lehnte ich sein Angebot freundlich ab.
Ich tue mich schwer damit fremde Menschen persönlich um Hilfe zu bitten. Aber andersherum nehme ich auch ungern Hilfe an, wenn Sie mir von ihnen angeboten wird.
Ich bin schon seltsam, man kann es mir nicht recht machen. Aber am liebsten schaffe ich es halt alleine.
Die letzten Meter zur Wohnungstür - die Treppen - schaffte ich mit allen 5 Tüten an einer Hand, die andere am Geländer.
Ich war zwar k.o., aber auch stolz diese Alltagsherausforderung bewältigt zu haben, ganz allein und ganz normal halt.
Ich glaube, an diesem Tag bin ich wieder ein kleines Stück über mich hinaus gewachsen, wie schon viele Male zuvor.
Das sind die Momente, die mich motivieren und mich für die Zukunft bestärken.