Du kannst gern mit meinem Auto fahren, denn einen Führerschein habe ich nicht.
Aber ein Auto habe ich tatsächlich schon besessen - zumindest ein paar Monate.
Meine Eltern hatten sich vor ein paar Jahren einen Neuwagen gegönnt - samt Schwerbehindertenrabatt.
Entsprechend wurde es auf meinen Namen gekauft und (vermutlich) auch angemeldet - es war also im Grunde mein Auto. Davon wusste ich zunächst nichts.
Nach ein paar Monaten konnten wir das Auto dann auf meine Eltern umschreiben.
Nun gut, dann habe ich halt schon mal ein Auto besessen ohne einen Führerschein zu haben. Das kann schließlich auch nicht jeder von sich behaupten.
Aber dieses Auto ist so gar nicht behindertenfreundlich, zumindest nicht für meine Form der Schwerbehinderung. Aber hey, es war kurzfristig mein Eigentum und es wurde ein Schwerbehindertenrabatt gewährt. Welch Ironie.
Der Einstieg in das Auto ist einfach recht hoch, es fehlen Griffe oder etwas Ähnliches zur Unterstützung.
Bis heute habe ich so manches Mal Probleme in dieses Auto einzusteigen.
Bis heute haben es meine Eltern nicht geschafft einfach einen Hocker dauerhaft im Auto zu verstauen, der mir den Einstieg so sehr erleichtern würde. Kleiner Hocker mit großer Wirkung eben.
Auch verstehe ich es nicht so ganz, warum sie sich für ein Auto entschieden haben, dass mich durch den schwierigen Einstieg wieder hilfloser erscheinen lässt, als es sein müsste.
Ich habe das anfangs als ziemlich egoistisch empfunden. Zwar sehen wir uns nicht mehr jeden Tag, aber sie haben nunmal eine behinderte Tochter, die regelmäßig zu Besuch kommt und dann gern vom Papa auch noch mal wohin gefahren wird. Das passiert auf jeden Fall immer sehr uneigennützig und aus aller Hilfsbereitschaft, das muss natürlich auch noch mal in aller Deutlichkeit betont werden. Danke Papa.
Mit der Zeit habe ich mich mit der Situation arrangiert.
Ändern kann ich sie ohnehin nicht.
Aber der Hocker wäre wirklich schön. Kleiner Hocker, große Wirkung, wie gesagt.
Ich bin ein Großstadtkind, ein Führerschein stand bei mir daher nie wirklich zur Debatte.
Zu meinem 18. Geburtstag habe ich ein anteiliges Budget in Form eines Gutscheins für einen Führerschein bekommen.
Als ich dann mit 20 von zu Hause auszog, habe ich es lieber in ein Möbel-Budget „eingetauscht“.
Ich habe es mir bisher auch nie so recht zugetraut Auto zu fahren. Es ist einfach mit sehr viel Verantwortung verbunden. Verantwortung für Menschenleben - und nicht nur für die im reinen Straßenverkehr, sondern im Grunde auch für Fußgänger & Co.
Aber so verantwortungsvoll, wie man vielleicht selber mit dem Fahren umgeht, umso weniger verantwortungsvoll machen das viele andere im Straßenverkehr.
Es scheint mir einfach zu gefährlich und dann meide ich es lieber.
Ich schätze mich zudem als unsicher und zu unentschlossen diesbezüglich ein.
Schreckhaft bin ich obendrein, wobei das tatsächlich nicht das eigentliche Problem sein sollte.
Eine sehr gute Freundin von mir, die dauerhaft im Rollstuhl sitzt, stärkere Spasmen hat als ich und noch viel schreckhafter ist, hat vor einigen Jahren ihren Führerschein gemacht. Bis heute hat sie dafür meinen vollsten Respekt..
Ich glaube mich zu erinnern, dass ihr Führerschein komplett durch die Bundesagentur für Arbeit finanziert wurde.
Allein das wäre schon ein guter Grund das Thema Führerschein wirklich endlich einmal anzugehen.
Vielleicht bestehen für mich auch Fördermöglichkeiten, selbst wenn meine Schwerbehinderung nicht so stark ist, wie bei ihr.
Selbst Ärzte und auch Berater empfahlen mir bereits vor Jahren einen Führerschein zu machen aufgrund des ihrer Meinung nach positiven Nutzens für meinen Alltag und auch für meine persönliche Entwicklung.
Aber ich konnte bisher einfach nicht den notwendigen Willen dazu entwickeln.
Ich muss auch sagen, dass ich es morgen oft genieße Bahn zu fahren. Da würde mir schon etwas fehlen.
In Ruhe einen Podcast oder ein neues Album hören, das Lieblings-Handspiel zocken oder einfach nur noch ein paar Kleinigkeiten im Internet checken.
Ich bin morgen oft noch sehr müde. Da kann ich es mir erst recht nicht vorstellen mich direkt hinters Steuer zu setzen. Da nehme ich sogar lieber einen längeren Arbeitsweg über die öffentlichen Verkehrsmittel in Kauf.
Denn trotz aller Widrigkeiten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, die vermehrt auftauchen, kann ich grundsätzlich damit noch immer meine Fahrtzeit besser einschätzen.
Aber natürlich ist ein Auto auch etwas wirklich Schönes.
Du bist flexibel, frei und für dich. Auch wenn es zugegeben eine wirklich luxuriöse Privatsphäre und Freiheit geworden ist.
Mit eigenen Kindern könnte ich mir aber unter Umständen doch den Führerschein vorstellen.
Für mich wäre es mit Sicherheit wesentlich komfortabler mit Kind und Kegel loszufahren - und sei es nur zu einer kleinen Routineuntersuchung beim Kinderarzt.
Ein einziges Mal hatte ich das wirkliche Gefühl das mit dem Führerschein packen zu können. Mein Mann fuhr gerade Auto und ich war Beifahrer.
Keine Spur mehr von Angst oder Ehrfurcht, nur das reine vorfreudige Gefühl auf die Challenge. Lass uns am besten sofort loslegen.
Aber dieses tolle Gefühl währte nur die kurze Autofahrt und kam seitdem nie mehr wieder.
Wäre schön, wenn es sich mal wieder blicken ließe. Im Traum würde es mir ja schon reichen. Die sind oft realistisch genug, um mich vielleicht wirklich endlich dazu zu kriegen loszulegen und Berge zu versetzen.