Wie ich den „Dachdecker wollte ich eh nicht werden“ traf und doch nicht traf

 

Dieser Freitag war eigentlich ein Freitag wie jeder andere.

14 Uhr Feierabend in der Hafencity.

Ich ging über die Brücke Richtung U-Bahnhof Überseequartier.

 

Auf der anderen Straßenseite sah ich ihn bereits über die Straße rollen. Zumindest war ich mir von weitem sicher, dass er es war.

 

Raul Krauthausen mit seinem Begleiter.

 

Vielleicht kennt der ein oder andere noch die Google Chrome Werbung, in der Raul Krauthausen seine tolle Plattform Wheelmap vorstellte, welche barrierefreie Locations kennzeichnet.

 

Seitdem ist er mir ein Begriff und vielen anderen sicherlich auch.

 

In meinem Kopf fing es sofort an zu arbeiten.

Was für eine tolle, einzigartige Möglichkeit wäre das ihn hier und jetzt spontan auf meine kleine Arbeit, meinen Blog anzusprechen.

 

Er und sein Begleiter überholten mich schließlich, aber ich brachte kein Wort heraus.

 

Zum einen konnte ich mich einfach nicht überwinden, zum anderen befand er sich im regen Gespräch mit seinem Begleiter.

Ich bin von Grund auf eigentlich zu höflich und möchte niemanden ins Wort fallen oder mich aufzwingen.

 

Sie nahmen den Fahrstuhl, ich die Rolltreppe.

 

Die U-Bahn sollte in zwei Minuten kommen, ich musste mich beeilen, um nicht zehn Minuten auf die nächste warten zu müssen.

 

Um die Mitte des Bahnsteiges zu erreichen, die mir einen besseren Ausstieg am Berliner Tor ermöglichte, musste ich an ihnen vorbei.

 

Aber dadurch ergab sich einfach nicht die Zeit und Ruhe und damit wiederum nicht die Möglichkeit den inneren Schweinehund zu überwinden und ihn anzusprechen.

 

Ach und allem voran: Die Zeit zu prüfen, ob er es wirklich war.

 

E-Rollstuhl, Statur und Kleidungsstil hatten von weitem auf jeden Fall gestimmt, aber das ist ja nicht unbedingt aussagekräftig genug.

 

Natürlich wollte ich auch ungern zu genau hinsehen.

Es gibt genug Leute, die Menschen mit Behinderung anstarren, einfach aus reiner Neugier oder deren Anderssein.

Mit diesen wollte ich schlichtweg nicht in eine Schublade gesteckt werden, auch wenn meine Blicke ganz andere Hintergründe gehabt hätten.

 

Wir stiegen in die gleiche Bahn, er stieg früher aus und ich blieb mit zwei offenen Fragen zurück.

 

War er das wirklich? und wenn ja:

Was wäre gewesen, wenn ich mich tatsächlich getraut hätte ihn anzusprechen?

 

Diese kurze Begegnung beschäftigte mich dafür umso länger dieses Wochenende.

 

Mittlerweile bin ich mir ziemlich sicher dass er es nicht war, sondern ihm nur ähnlich sah.

 

Aber eine interessante Erfahrung war es allemal und ich habe wieder etwas über mich und meinen inneren Schweinehund gelernt.