Anfang dieser Woche stieg ich mit der Frau zusammen in die Bahn, die mich vor einigen Monaten darum gebeten hatte ihr beim Einstieg zu helfen. Ich hatte darüber geschrieben (hier nachlesen).
Sie blieb stehen, fragte in der morgens vollen S-Bahn nicht nach einem schon besetzten Sitzplatz.
Der Zugführer bremste und beschleunigte ziemlich forsch. Ich bemerkte, dass sie dadurch natürlich noch mehr Schwierigkeiten hatte das Gleichgewicht zu halten.
Auch dieses Mal musste sie wieder Berliner Tor umsteigen.
Schon einige Stationen zuvor fragte sie eine junge Dame an der Tür, ob sie ihr Berliner Tor beim Ausstieg helfen würde.
Die nächsten Minuten bis zur gewünschten Station blieb es ruhig zwischen ihnen, eine Art unangenehme Stille entstand.
Keine Nachfrage wie sie ihr vielleicht am besten helfen könnte gleich, welche Art der Unterstützung die Richtige und Beste für sie wäre.
Ich kann mir vorstellen, dass viele Mitmenschen sehr verunsichert sind, wenn sie um Hilfe gebeten werden.
Was mache ich? Wie helfe ich am besten? Wie fasse ich die Person an? Wie weit darf ich dabei gehen?
Ich habe bereits letzte Woche unter anderem Unsicherheit im Umgang mit behinderten Menschen thematisiert.
Ich kann nur sagen: Nachfragen!
Die Person wird es euch schon sagen und ihr spart es euch euren Kopf darüber zu zerbrechen.
Wenn ich zum Beispiel mit meinen engsten Freunden unterwegs bin, kommen solche Fragen gar nicht mehr auf. Die „Zuständigkeiten“ sind klar und selbst die Blicke meiner Freunde sind mittlerweile auf meine Bedürfnisse geschult.
So ist es zum Beispiel so, dass mir geholfen wird, ohne dass ich etwas vorher sagen muss. Alles ganz normal. Alles ein Ablauf, wie automatisiert. Da muss nicht mal das Gespräch unterbrochen werden. Eine sehr angenehme Situation.
Mich überraschte die Tatsache, dass eingeschränkte junge Dame eine wiederum schmächtige, recht kleine Frau als ihre Helferin auserkoren hatte.
Dabei standen auch einige kräftige Männer um uns herum.
Ich glaube schlichtweg es war der einfachste Weg, weil die Damen bereits nebeneinander standen, als sie sie nach Unterstützung fragte.
Ich war gespannt wie der Ausstieg gleich tatsächlich funktionieren würde.
Einerseits von der Hilfestellung an sich und andererseits auf die Geduld der Mitmenschen bezogen.
Denn wie ich schon mehrfach in älteren Beiträgen erwähnt hatte: Am S-Bahnhof Berliner Tor steigen werktags sehr viele Menschen um, sind hektisch und schon morgens genervt und gestresst.
Überraschenderweise lief alles geduldig und gesittet ab. Vielleicht auch, weil in Hamburg gerade Herbstferien sind.
Aber vor allem: Es lief auch zügig ab, offenbar konnte genau die Hilfe geleistet und die Sicherheit gegeben werden, die die Frau brauchte.
Ich freue mich für die Frau, dass es ihr möglich ist sich selbstständig in der Stadt zu bewegen.
Auch wenn es mit Sicherheit immer wieder Überwindung kostet eine Fremde Person anzusprechen und um Hilfe zu bitten. Ich kann mir nicht vorstellen dass so etwas jemals wirklich zur Gewohnheit werden kann.
Berliner Tor stieg auch ich um und ging zur U-Bahn.
Auf dem Bahnsteig ging ich an der kleinwüchsigen Frau vorbei, die immer mit Tretroller unterwegs ist. Auch über sie hatte ich bereits berichtet. Aber seitdem hatte ich auch sie nicht mehr gesehen.
Und heute sah ich sie beide an einem Tag und zur selben Zeit. Was für ein Zufall.
Mit so vielen starken Frauen (trotz Handicap) um mich herum konnte das nur ein guter Tag werden, mich zähle ich durchaus dazu.
So ich fuhr mit einem Lächeln im Gesicht weiter Richtung Arbeit und unterschied mich schon allein dadurch von vielen Mitmenschen an einem Dienstag Morgen.