Interview mit Ingo Knollmann (Donots) - 20.12.2007

 

An einem kalten Berliner Nachmittag – genauer gesagt: den 20.12.2007 - hatte ich das Vergnügen mit Sänger Ingo Knollmann von den Donots zu führen. Es fand im Catering-Bereich des Postbahnhofs statt, wo am Abend ihr erster Auftritt in Berlin seit Jahren über die Bühne gehen sollte.

Es war sehr lustig mit ihm und ich hoffe, ihr habt genauso viel Spaß beim Lesen, wie ich während diesem ausführlichen und lehrreichen Gesprächs. Ich empfehle euch wirklich es bis zum Schluss zu lesen, es lohnt sich!

 

 

Conny: Ja, hallo erst mal!

 

Ingo: Ja, hallo! Willkommen in meiner Küche!

 

Conny: Eine schöne Riesenküche. Du kannst kochen!

 

Ingo: Ja, ich hab’ das alles für dich vorbereitet! Von links nach rechts musst du dich durchessen. Obwohl, nee...eher von rechts nach links, weil da sind eher so die Beilagen oder die Nachtische.

 

Conny: Machen wir ein Wettessen, nachher noch.

 

Ingo (lacht): Genau! Sehr gut!

 

Conny: Man hat ja lange nichts mehr von euch gehört, aber ihr wart nicht untätig. Ihr habt an eurem fünftem Studioalbum gearbeitet, „Coma Chameleon“, das am 14. März erscheint und ich würde gerne wissen - die Frage kriegt ihr noch oft genug gestellt - , aber: Warum heißt es so und was hat es für eine Bedeutung?

 

Ingo: Du darfst das jetzt natürlich sehr gerne noch fragen, denn du bist nämlich ungefähr die erste Person, die uns jetzt in einem Interview offiziell danach fragt, denn der ganze Promo-Run geht ja erst los, die ganzen Interviews und so was.

 

Conny: Dann geb’ ich jetzt den Startschuss!

 

Ingo: Du hast jetzt den Startschuss gegeben! Was ich auch super finde, ganz im Ernst.

Nee, warum heißt die Platte so... Wir haben uns, glaub’ ich, wieder mal 20.000 verschiedene Albumtitel um die Ohren geschmettert, so wie das jedes mal ist. Immer findet einer den Albumtitel gut und ein anderer sagt dann: „Ah nee, das kannst du nicht machen.“. Wir haben wieder mal bis zum Schluss gewartet. Bis immer genau dann, wenn die wirkliche endgültige Entscheidung her muss, können wir nicht entscheiden! Das ist dem Westfalen nicht in die Wiege gelegt, dass der sich so schnell entscheiden muss.

Irgendwie ist das mehr oder weniger aus einem Witz heraus entstanden. Wir haben nach einem Namen gesucht, der halt irgendwie catchy ist, der sich gut schreiben lässt, der gut klingt und wo möglicherweise Leute auch Interpretations-Spielraum haben. Es gibt ja eben von „Culture Club“ - Boy George’s alter Band - diesen Song „Karma Chameleon“. Ich hab’ mit Jeff Collier, mit einem Freund von uns, der die Gesangsaufnahmen bei der nächsten Platte gemacht hat, am Telefon ein bisschen rumgewitzelt und hab’ ihm diverse Namen vorgeschlagen. Wir hatten dann auf dem Albumcover das Skelett von einem Chamäleon, das ist jetzt gerade das neue Logo der Band, und ich hab’ ihm gesagt: „Dude, we got a chameleon on the cover. What do you think?” and er: “Why don’t you call the album ‘Common Chameleon’?” und darauf hab’ ich dann so gewitzelt: “Yeah or maybe like ‘Coma Chameleon’!” und da musste er tierisch lachen. Da haben wir gesagt: „Okay, den nehmen wir, den Titel!“.

 

Conny: Welche standen denn noch zur Auswahl?

Ingo: Ganz viele, du glaubst nicht wie viele! Bis vor kurzem hieß die Platte noch „A Kid named Flash“ und es gab 20.000 verschiedene Namen. Grundsätzlich fallen uns immer die besten Titel in Deutsch ein. Aber ein deutscher Albumtitel kommt ja nie in Frage. Wir müssten so eine Band sein wie die  „Sportfreunde Stiller“, dann hätten wir Albumtitel bis in die nächsten 50 Jahre! 

 

(wir lachen)

 

Conny: Ihr wart ja auf der Suche nach einer neuen Plattenfirma. Habt es aber nun bei „Solitary Man Records“ veröffentlicht. Angebote soll es aber genug gegeben haben. Waren die euch nicht gut genug?

 

Ingo: Als wir ins Studio gegangen sind bzw. schon seitdem wir bei „Gun Records“ weg sind - wir haben uns da ja irgendwie 2 Jahre Anwalts-Tauziehen geleistet, um da rauszukommen aus dem Deal – und als wir dann raus waren aus dem Vertrag bei „Gun Records“, da hat sich das halt so super angefühlt komplett wieder auf sich selbst gestellt zu sein - im Grunde genommen so einen Reset-Knopf gedrückt. Auf einmal gab es keine Zeitpläne mehr. Da gab’s dann keinen Druck in dem Sinne, bis dann und dann muss die Platte fertig sein oder irgendwelche Leute, die dir in irgendeiner Weise im Nacken gesessen haben.

Wir haben auch mit den Jungs von „Billy Talent“ darüber gesprochen, die haben wir in Österreich getroffen - auf einem Festival und hab’ denen halt erzählt, was gerade so los ist und die meinten: „Ja, na ist doch super! Das klingt doch, als würdet ihr gerade eure erste Platte aufnehmen!“ und für uns fühlt es sich auch echt so an.

Da haben wir echt schon die ganze Zeit schon so überlegt: „Eigentlich können wir das auch alles selbst machen. Also wirklich alles komplett selbst. Weil „Solitary Man Japan“ gab’s ja schon und da war eigentlich nur die logische Konsequenz dann ein „Solitary Man“ auch hier aufzumachen. 

Die riesenfetten Deals kriegt heutzutage quasi keiner mehr, weil, die Musikindustrie ist halt wirklich am Ende, muss man einfach sagen und ich sag’ mal so: Wenn die dir nicht den Mehrwert liefern, wo du einfach denkst: „Alles klar! Ich kann mir jetzt einen dritten Hubschrauberlandeplatz kaufen!“ oder so was, dann ist man eigentlich heutzutage blöd überhaupt einen Deal zu unterschreiben. Dann kannst du’s auch selbst machen. Dann suchst du dir einen Vertrieb für dein eigenes kleines Label und super ist.

 

Conny: Aber dafür muss man ja auch schon groß genug sein oder lange genug im Geschäft sein, um so was dann zu realisieren.

 

Ingo: Ja, aber ich würde es vielen jungen Bands trotzdem auch raten. Der Aufwand ist natürlich schon ein größerer, aber du hast einfach mehr Kontrolle. Du bist näher dran, du arbeitest nur mit Leuten zusammen, mit denen du zusammenarbeiten möchtest und das sind sehr viele Sachen die eigentlich sehr dafür sprechen. 

Wir sind sehr sehr glücklich, dass wir das jetzt endlich so durchgezogen haben. Wir arbeiten nur noch mit Leuten zusammen, von denen wir sagen können: „Das sind unsere Freunde, unsere Familie!“. Wir sind halt auch super stolz irgendwie.

Weil diese ganze Platte, dieser ganze Prozess von der Platte, - vom Schreiben über die Demos bis zum Aufnehmen und jetzt die Veröffentlichung - haben wir komplett selbst durchgezogen. Wir haben das finanzielle Risiko da selbst getragen. Es ist eigentlich auch scheißegal, wie es ausgeht. Ob die Platte ein Mensch kauft, zwei, 200 oder 2.000, wie viele auch immer.

 

Conny: Oder ihr selber.

 

Ingo: Genau. Das ist scheißegal. Darf man das sagen, Scheiße? Ich sag’s mal einfach.

 

Conny: Ja, bei mir darf man das sagen.

 

(Zwischendrin hörte ich jemanden etwas unverständliches den Flur entlang brüllen – schätzungsweise Guido. Schon vor Beginn des Interviews schienen die Jungs in ihren Räumen bereits etwas abzudrehen.)

 

Ingo: Sehr schön! Scheiße! Dann sag’ ich’s noch mal. Es ist also scheißegal (lacht) wie viele Leute die Platte letzten Endes kaufen. Wir haben uns damit echt einen Traum erfüllt.

 

Conny: Jetzt rückt ihr auch endlich wieder mehr in die Öffentlichkeit, aber vor allem wart ihr lange nicht mehr in Berlin zu einem Konzert. Woran lag’s?

 

Ingo: Also es hat sich eigentlich nicht wirklich gelohnt auf Tour zu gehen, um Clubshows zu spielen, wenn eine Platte schon irgendwie zwei Jahre alt ist oder so. Die letzte liegt ja jetzt 3 ½ Jahre zurück. Wir waren ja dann durchaus noch mal in Berlin gewesen. Aber z.B. warum hätten wir letztes Jahr in Berlin spielen sollen, wenn keine neue Platte da ist und nichts? Dann wartest du lieber erst mal, bis das neue Album kommt und gibst damit einen Startschuss. Deswegen auch dieses „Lars Christmas“-Festival: Wir sind sehr glücklich und fühlen uns sehr geehrt, dass „El*ke“ uns gefragt haben hier mitzuspielen. Das passt halt auch irgendwie gut rein. Ansonsten haben wir eigentlich fast nur Festivals gespielt und waren im Ausland unterwegs. - von Lettland bis Ungarn und in Japan und so.

 

Conny: Ich weiß, dass viele sich freuen euch heute dann hier in Berlin endlich mal wiederzusehen.

 

Ingo: Vielen Dank. Wir freuen uns auch wieder hier zu sein. Ist immer schön!

 

Conny: Das erste Mal, dass ich von euch gehört habe, war durch Viva. Da lief dann euer Video zu „We’re not gonna take it“, was ja schon eine seltsame Sache ist, weil „We’re not gonna take it“ gar nicht von euch ist und zwar eine Coverversion von „Twisted Sister“ - in der Originalversion auch untypisch für euch und geht eher in die Metal-Richtung. 

Findet ihr es nicht seltsam, dass gerade dieses Musikvideo rauf und runter gespielt wurde und dann auch noch auf Viva? 

 

Ingo: Es ist halt auch ein guter Song, das muss man ja einfach mal sagen. Das ist von „Twisted Sister“ schon sehr gut gemacht. 

Wir haben den Song schon jahrelang im Live-Set gehabt und haben uns eigentlich immer dagegen gewehrt den Song aufzunehmen. Aber wir haben so viele Zuschriften gekriegt, dass wir das doch mal machen sollen. Coverversionen laufen eigentlich immer recht gut und wir hatten dann einfach Bock drauf und haben dann diese komplette Metal-EP daraus gemacht. 

Es lief ja dann lustigerweise so gut...pass auf, jetzt zeig’ ich dir was! Ich hab’ ja immer  einen Glücksbringer dabei. Wir haben ja dann in New York gespielt und da ist nämlich Jay Jay French - der Gitarrist von „Twisted Sister“ - auf das Konzert gekommen. 

Hier ist das Original-Plektrum von „Twisted Sister“! 

 

(Das Interview ist hier wieder an einem Stimmungs-Höhepunkt angekommen)

 

Conny: Oh mein Gott, darf ich es anfassen?!

 

Ingo: Du darfst, du darfst, natürlich! 

Es ist halt mein Glücksbringer. Den nehm’ ich immer auf Konzerte mit. 

Das ging dann so weit – der ist halt so Fan davon gewesen – der hat uns dann irgendwann abends zum Essen eingeladen in New York und hinterher waren wir dann in Downtown Manhattan bei ihm zu Hause. Der hat uns seine Kinder vorgestellt und seine Frau. Gitarren von ihm haben wir dann in der Hand gehabt. Das war halt Metal-Heaven! Es war das Größte für uns! 

 

Conny: Ein Glückstreffer war das für euch.

 

Ingo: Ja wirklich! Ich find’ einfach, das ist ein toller Song! Macht auch immer noch Spaß den live zu spielen.

 

Conny: Ihr wart ja auch mal bei „Viva Interaktiv“. Ihr musstet dort zu Playback spielen und singen, habt es auch deutlicht gezeigt, dass es Playback war. 

Das Interview wurde dann boykottiert, weil Moderatorin Milka sich den Namen eures Heimatorts Ibbenbüren nicht merken konnte. 

 

Ingo: Iggelsdorf hat sie gesagt. Ich weiß es noch, wie heute.

 

Conny: Ich habe nur von gelesen. Was ist da noch so passiert? Erzählt mal mehr!

 

Ingo: Ich meine, wir sind keine unnetten Leute! Glaube ich zumindest nicht. Also wir sind eigentlich immer recht umgänglich. In dem Fall war es aber wirklich so, dass es einfach augenscheinlich klar war: Die hatten sich überhaupt gar nicht vorbereitet auf die Band, die da kommt. Es war denen also auch – um wieder das Wort scheißegal hier aufzugreifen – es war denen auch scheißegal, wer da war. Das hast du einfach in diesem Interview auch gemerkt. 

Dass wir Playbackspielen bescheuert finden, ist ja ganz klar und dass wir es veralbern, das macht ja dann auch Spaß. Wir probieren ja immer in jedem Moment so viel Spaß zu haben, wie es geht.

Wir haben natürlich dann blöde Antworten gegeben. Auf blöde Fragen gibt’s halt blöde Antworten! Sie fragte: „Wo liegt denn Iggelsdorf?“ und da haben wir gesagt: „Ja keine Ahnung! Kannst du uns ja erklären.“. Wir wussten es ja auch einfach nicht.

Auf jeden Fall hat der Aufnahmeleiter in einer Pause von dieser Live-Sendung entschieden: „Die schmeißen wir raus!“. Dann sind auf einmal Leute angekommen, haben uns die Mikros weggenommen: „So, ihr kommt jetzt mal mit, wir gehen jetzt mal raus.“ und wir so: „Hmm, was ist denn jetzt los?“. „Ja, ihr seid gerade aus der Sendung geschmissen worden.“ Dann waren wir die erste Band, die bei Viva rausgeschmissen wurde. Wir hatten es eigentlich gar nicht drauf angelegt, aber das war dann natürlich auch irgendwie nett, weil sofort 20.000 Leute bei uns auf der Website geschrieben haben: „Super Jungs! Saugeile Aktion gewesen!“.

Ich find’ halt Interaktiv...Ich meine, gibt’s das heute noch?

 

Conny: Nee, gibt’s nicht mehr. Es gibt jetzt eine Sendung, die heißt „Viva Live“, die ist so ähnlich.

 

Ingo: Ahja, okay. Also ich fand die Sendung halt auch immer ganz fürchterlich, muss ich sagen. Das gehört aber auch zu diesem Spiel eben dazu, dass du, wenn du so einen Slot bekommst, dann da auch hin gehst. Das ist ja eben genau diese Sache: Du gehst ja nicht hin und machst irgendwie gute Miene zum bösen Spiel. Wir machen’s dann halt so, wie wir wollen und wenn die darauf keinen Bock haben, dann sollen sie sich halt irgendwelche Plastikbands einladen, für die das in Ordnung ist.

 

Conny: Ich find’ es nur seltsam, dass Leute wie Stefan Raab sich über Playback lustig machen dürfen und das okay ist und ihr z.B. nicht. Zu Viva seid ihr bestimmt auch nie wieder eingeladen worden.

 

Ingo: Ob du’s glaubst oder nicht: Wir sind sogar danach wieder zu Interaktiv eingeladen worden! Ist kein Witz! 

Dieser Aufnahmeleiter hat uns übrigens rausschmeißen lassen und aber nicht mal die Eier gehabt runter zu kommen und uns das persönlich zu sagen, der hat seinen Praktikanten geschickt! 

 

Conny: Oh, der arme kleine Praktikant wieder!

 

Ingo: Jaja... und das Lustige war: Wir sind rausgekommen aus dem Aufnahmeraum und alle Leute von Viva, die hinten Backstage quasi Rundgang haben, haben applaudiert, weil sie es so super fanden und konnten es überhaupt nicht fassen, dass der Typ uns rausgeschmissen hat! 

Dann war’s halt wirklich so, dass wir das nächste Mal – zur nächsten Platte – doch wieder bei Interaktiv waren. Schienen wir also doch nicht ganz unverzichtbar zu sein. So kann’s gehen! 

 

Conny: Wenn ich mir eure Texte mal so durchlese, fällt mir auf, dass sie vom Englischen her sehr anspruchsvoll sind...

 

Ingo: Vielen Dank.

 

Conny: ...anspruchsvoller als von Muttersprachlern, die ganz einfache, umgangssprachliche und geläufige Wörter wählen. 

War es euch ein Bedürfnis in einem anspruchsvollerem Englisch zu schreiben? Wie kam’s dazu?

 

Ingo: Ich hab’ Englisch studiert! Ich hab’ Englisch immer gut gekonnt. Das war immer das Fach in der Schule, was ich am besten konnte. Ich glaub’, die schlechteste Klausur, die ich in Englisch geschrieben habe, war eine 1- und ansonsten immer 1+ oder 1 wirklich gestanden in Englisch. Ich hab’ dafür auch nicht gelernt oder so was. Ich mag die englische Sprache supergern und es gibt so schöne Worte in Englisch, die so gut klingen. Warum soll man sie dann nicht benutzen?

 

Conny: Ich muss bei euren Texten immer viel nachschlagen und dann habe ich selber wieder was gelernt.

 

Ingo: Ich denke aber trotzdem immer noch, dass wir recht simpel schreiben! Wenn du dir z.B. Texte von „Bad Religion“ durchliest, musst du jedes zweite Wort nachschlagen, selbst, wenn du Englisch studiert hast!

Ich schreib’ mir halt einfach so von der Seele runter, wie es mir gerade in den Kragen passt.

 

Conny: Wie einig seid ihr euch eigentlich, wenn ihr ins Studio geht oder ein Song entsteht?

 

Ingo: Da gibt’s schon Reibereien, auf jeden Fall! Das ist nicht immer so ein einfacher Prozess, dass dann der Song im Grunde genommen schon da ist und du nimmst ihn nur noch auf. 

Bei dieser Platte haben wir ja mit Kurt Ebelhäuser aufgenommen und mit Vincent Sorg – das sind so die zwei Leute, mit denen wir die Platten aufgenommen haben. Da haben wir es genau genommen so gemacht: Wir haben einfach bei null angefangen! Wir haben insgesamt 50 Demos oder so vorher schon mal aufgenommen – wenn du so willst: 50 Rohgerüste an Songs – haben die aber eigentlich komplett wieder eingestampft, als wir ins Studio gegangen sind und haben uns die nur noch immer wieder jeden Morgen vorgespielt, um uns von Neuem inspirieren zu lassen – und dann halt wieder bei null angefangen.

Das, was echt dann am längsten dauert, ist nicht das Aufnehmen, das ist wirklich bis der Song dann eben da ist! Jeder gibt natürlich seinen Senf dazu. Wir sind halt eine demokratische Band und wir möchten, dass jeder von uns ein gutes Gefühl im Bauch hat, wenn wir auf die Bühne gehen. Sonst kann ja ein Song nicht live gespielt werden, wenn da einer steht und denkt: „Jetzt kommt der Song, den mag ich ja gar nicht!“.

Da gibt’s schon durchaus Reibereien, aber jetzt nicht irgendwie unfair oder so, wir werden dann nicht ausfallend dem anderen gegenüber. Wir diskutieren das aus und spielen sehr viel, bis wir einen Weg finden, wie der Song halt gut klingt einfach. Der Weg ist schon lang, aber jeder hat halt sein Mitspracherecht bei uns.

 

Conny: Probt ihr noch viel oder sagt ihr euch nach so vielen Live-Shows: „Das haben wir gar nicht mehr nötig.“?

 

Ingo: Um Gottes Willen! Also es wäre schön, wenn man sagen könnte, man hätt’s nicht nötig! Ich glaube, die meisten Bands müssen einfach proben, proben, proben, immer wieder! 

Jetzt besonders auch die neuen Songs. Das fühlt sich ja auch ganz neu an die dann live zu spielen. Da muss superviel geprobt werden!

 

(Marc betritt gerade den Cateringbereich, Ingo ruft ihn)

 

Ingo: (zu mir:) Er ist ja unser Backliner, unser Bühnenmanager, unser Schätzchen vor dem Herren! 

(zu ihm:) Sie fragt gerade: Müssen wir eigentlich noch üben?

 

Marc (mit vollem Mund und monotoner Stimme): Ja!

 

Ingo (zu mir): Siehste! Ehrlicher könnte diese Antwort nicht ausfallen!

 

(alle lachen)

 

Ingo: Jede Band muss einfach üben, wirklich. Ich glaub’ auch, dass „Metallica“ riesen Probeblöcke einlegen, um vor einer Tour zu üben. Das geht nicht anders. Es sei denn du bist so ein Ultrasession-Musiker, der irgendwie hier und da immer in anderen Bands spielt oder so was, aber so sind wir nicht.

 

Marc: Das ganze Leben ist ein einziges Üben!

 

Ingo: Genau! Sehr schön, sehr schön!

Also von daher... wir üben auf jeden Fall ganz ganz viel, jetzt zur neuen Platte auch.

 

Conny: Apropos Live-Shows: Bei eurem Podcast, der “Relaxten Kluftpuppe”, habt ihr eine Rubrik, da habt ihr immer eine Liste mit vergangenen Konzertterminen, tippt dann mit blindem Finger rauf und erzählt von dem Konzert. An was ihr euch da manchmal erinnern könnt, ist echt unglaublich. Habt ihr einfach so ein großes Gedächtnis oder wie erklärt ihr euch das selber?

 

Ingo: Also ganz ehrlich? Ich weiß es manchmal selbst nicht. Ich find’s manchmal echt total unerklärlich, wie viele Sachen einem einfallen zu fast 1.000 Shows, die wir gespielt haben! Du weißt aber trotzdem jeden Abend noch. Ich kann’s mir eigentlich auch echt nur so vorstellen, dass wir dieses ganze Band-Ding halt so intensiv wahrnehmen und mit Musik ja auch einfach so viel gekoppelt ist! Es ist ja ganz lustig, wenn du mal von der Musik-Psychologie das Ganze betrachtest: Wenn du z.B. in den Urlaub fährst. Du warst vor 6 oder 7 Jahren im Urlaub und da hast du einen Song, der dich den ganzen Urlaub über begleitet hat. Wenn du den heute hörst, dann hast du das gleiche Gefühl wie im Urlaub damals! Das finde ich halt super, dass Musik so funktioniert und sich so koppeln lässt an Gefühlslagen. Ich glaube, daran liegt das auch irgendwie, dass wir uns da an so viele Sachen erinnern können!

 

Conny: Noch mal zur „Relaxten Kluftpuppe“: Das Logo ist so gestaltet, dass ein Auto ein Pinguinkind angefahren hat und ein erwachsener Pinguin daneben steht und nur guckt. Die Zeile „We brake for no one“ ist ja noch verständlich, aber wie kommt man auf einen Pinguin?

 

(Schon während ich die Frage stellte, konnte sich Ingo das Lachen kaum verkneifen, sein Gesicht sprach Bände und lachte sich dann wirklich tot, kann man schon so sagen – meine persönliche Lieblingsstelle.)

 

Ingo: Das ist super, dass du dir darüber überhaupt so viele Gedanken gemacht hast! Da haben wir uns überhaupt gar keine Gedanken gemacht, ganz ehrlich! Das ist ein Straßenschild! Glaub ich, ich weiß nicht woher...Im Internet haben wir das gefunden! Das ist einfach ein Straßenschild, so ein penguins crossing Straßenschild, und der andere Pinguin, der stand aber und wir haben den als Logo einfach vor das Auto gelegt, als wenn das Auto den überfahren hätte! Wir sind da eigentlich darauf gekommen, weil wir irgendwann mal gesagt haben, dass das so ein bisschen offroad Diskussionen sind, die wir da führen. Da wird nicht gebremst, vor keinem Thema. Da rennen wir halt einfach rein!

 

Conny: Eine Stunde und länger, jaja!

 

Ingo: Genau, das weißt du dann ja auch. Da erzählen wir uns ja einen Scheiß, das geht ja gar nicht mehr!

 

Conny: Ich muss sagen, in letzter Zeit konnte ich es gar nicht verfolgen, weil es einfach so lang war und ich mir das in Ruhe anhören muss! Wenn ich nebenbei am Computer sitze, dann kriege ich ja gar nichts mehr mit und das muss man wirklich genießen! 

 

Ingo (lacht): Ich find’s toll, dass du das genießen kannst! Ich kann’s mir nie ein zweites mal anhören! Die anderen machen sich dann wirklich die Mühe – das muss ja auch geschnitten werden – und hören sich das wirklich auch ein zweites mal an. Das ist echt so ein brainfuck! Wenn du mit der „Relaxten Kluftpuppe“ nach Hause gehst, danach bist du so richtig ausgezehrt!

 

Conny: Ich höre mir das immer über Kopfhörer an und wenn ich dann mit dem Anhören der Sendung fertig bin, ist das ganz komisch, dann höre ich keine Stimmen mehr!

 

Ingo (lacht): Das manipuliert dich bestimmt auf einer tieferen Ebene, das weißt du nur noch nicht!

 

Conny: Oh...in zehn Jahren dann, ja?

 

Ingo: Genau, wir probieren nämlich damit die Menschheit zu unterwandern und die Welt an uns zu reißen! Da werden so versteckte Signale unterschwellig gesendet und früher oder später werdet ihr alle unsere Roboterzombies sein und dann werden wir diese Welt übernehmen!

 

Conny: Hilfe...na ich hab’ sie mir ja jetzt nicht mehr angehört. War vielleicht auch besser so, ne?

 

Ingo (mit einer monotonen Hypnose-Stimme): Doch! Hör’ weiter diese „Relaxte Kluftpuppe“, alle weiteren Folgen, du musst sie hören!

 

(Ich steige stimmlich darauf ein, als wenn es Wirkung zeigen würde

 

Conny: Ich muss sie alle haben!

 

Ingo (weiter mit Hypnosestimme): Genau, und schon mal eine Waffe kaufen!

 

(Wir lachen beide)

 

Conny: Es ist schon lange kein Geheimnis mehr, dass ihr auch in Japan erfolgreich seid und dort hin und wieder spielt.

Was war denn das merkwürdigste Geschenk, das ihr von einem Fan dort bekommen habt?

 

Ingo (lacht): Du kriegst ja nur merkwürdige Geschenke! Oder es ist ja überhaupt merkwürdig, dass uns jemand was schenkt! Ich meine, wer schenkt schon Leuten wie uns irgendwas? Das ist ja schon mal merkwürdig genug! Aber die Kids gehen da ja wirklich los, bevor eine Show ist, in die Stadt und kaufen dir halt Geschenke! Da kriegst du wirklich pro Abend irgendwie so bis zu zehn Tüten – das sind immer so schöne Einkaufstüten, richtig dicke, tolle Tüten – und da sind dann ganz viele Sachen drin! Da schenken die dir dann Pullover, Armbanduhren oder so was!

 

Conny: Ach auch noch größere Sachen und nicht so selbstgemachte Plakate!

 

Ingo: Ja ja, alles mögliche! Es ist ganz verrückt, wirklich! Richtig merkwürdige Sachen waren: Jan-Dirk hat mal irgendwie eine Wurst geschenkt gekriegt und wir wissen bis zum heutigen Tag nicht, ob das eine Tofu-Wurst oder eine echte war!

 

Conny: Ihr habt sie auch nicht gegessen.

 

Ingo: Nee, weil wir sind ja zu 4/5 Vegetarier, haben uns da nicht rangetraut. Dann gab’s noch so ein ganz merkwürdiges Geschenk, das haben wir dann irgendwann „Schildkröten-Pastillen“ getauft, weil da gab’s dann irgendwie so eine komische Packung mit so Pillen und obendrauf war eine Schildkröte. Wir haben uns auch nicht getraut die zu probieren. Wer weiß, was da drin war, Schildkröten-Drogen oder so was! Also das ist schon recht merkwürdig!

 

Conny: Hat sich euer Bild über Japan und die Einwohner jetzt verändert?

 

Ingo: Auf jeden Fall! Ich war ja dann jetzt schon vier mal insgesamt da – nicht nur auf Tour, sondern auch wegen der ganzen Label-Arbeit und so was – und beim ersten mal bist du halt total geschockt, weil das halt so anders ist. Das sind einfach so nette Leute, die Japaner. Es ist so super da und es macht so einen Spaß.

 

Conny: Ich habe auch gelesen, dass in Japan die Zuschauer aufräumen nach einem Konzert. Das ist ja mal total der Kulturschock!

 

Ingo: Das ist in der Tat so! Zu unseren Shows haben die zum Teil ihre eigenen Aschenbecher mitgebracht! Dann halt irgendwie den Aschenbecher aus der Tasche geholt... Dann war das Konzert vorbei, wirklich direkt sind die Leute rausgegangen. Es wurde auch direkt ein Staubsauger rausgeholt und der drumriser - wo das Schlagzeug draufsteht - und mit einem Staubsauger abgesaugt! Du hättest also wirklich innerhalb von fünf Minuten vom Boden essen können! Das ist einfach unfassbar! Das ist so Rock wie der Weltspartag!

 

Conny: Heutzutage vermischen sich Musikstile ja immer mehr. Ein extremes Beispiel ist da die R&B Sängerin Rihanna mit „S.O.S.“. Das Lied hat sie mit dem Beat von „Tainted Love“ untermalen lassen. Dann habe ich einen Bericht gesehen, der mich sehr stutzig machte. Sie meinte, sie kenne den Originalsong nicht und habe keine Ahnung von Rock. Was sagst du dazu und auch, wenn sich die Musikstile so extrem vermischen – R&B und Rock z.B.?

 

Ingo: Also das schließe ich nicht aus! Das scheint ja auch zu funktionieren. Ich glaub’, Rihanna (er hat den Namen garantiert absichtlich „deutsch“ ausgesprochen), die muss sich jetzt nicht unbedingt überlegen, wo sie morgen ihr Nutella kaufen muss für ihr Brötchen oder so. Die hat das schon irgendwie ganz richtig gemacht. Ich glaub’, die singt auch gut, aber das, was die macht, interessiert mich eigentlich nicht großartig. 

Ich hab’ nie großartig drüber nachgedacht. Ich bin aber der Letzte, der sagt, dass das Eine mit dem Anderen nichts zu tun hat oder, dass man Musikstile nicht verquicken sollte. Ich finde das einfach super, wenn da gute Sachen bei rauskommen.

 

Conny: Ihr engagiert euch auch für die Tierrechtsorganisation „Peta“. Es ist bei vielen Promis ja so, wie bei Jennifer Lopez, dass sie mit Vorliebe Pelz tragen – in der Öffentlichkeit – und eine eigene Pelzkollektion herausbringen. 

Was sagst du dazu und was meinst du, kann man gegen Leute wie sie tun?

 

Ingo: Also ich trag’ ja in der Öffentlichkeit sehr gerne Jennifer Lopez! Ich hab’ sie bis jetzt nur noch nicht getroffen, um das mal in die Tat umzusetzen und möglicherweise dann die Haut von ihr als Jacke zu benutzen. 

Was kann man dagegen machen? Im Grunde genommen genau das, was wir halt machen! Also dann das Maul aufmachen, Kampagnen von „Peta“ begleiten und öffentlich sagen: „Da haben wir keinen Bock drauf, das ist ethnisch total für’n Arsch!“. Ich meine, du wirst es sowieso solchen Leuten nicht verbieten können. Du wirst auch trotzdem immer Probleme haben den Walfang zu verbieten, weil das z.B. ein tief verwurzeltes japanisches Kulturerbe ist oder so was und die lassen sich da einfach nicht an den Karren pissen. Aber du musst es halt probieren, musst einfach immer weiter mitmachen und deswegen unterstützen wir „Peta“, weil wir das einfach super finden.

 

Conny: Aber ein „Peta“-Fotoshooting hattet ihr ja noch nicht.

 

Ingo: Nee, nicht in dem Sinne, wie das öfter Leute machen so komplett nackt zu posieren. Das haben wir bis jetzt noch nicht gemacht. Das ist vielleicht einfach auch besser für die Leute. Das will ja auch im Ernst keiner sehen! Uns ohne Klamotten will keiner sehen. Uns mit Klamotten ist ja schon schlimm genug, aber ohne...geht gar nicht!

 

Conny: Ein bisschen sind wir jetzt von der Musik abgedriftet. Zum Schluss möchte ich von dir dringend wissen: Was hast du gegen „Sunrise Avenue“?

 

Ingo (gibt Geräusche voller Ekel von sich): Tschuldige, ich muss mal gerade eben kurz warten, bis sich meine Fußnägel wieder runtergeklappt haben! Im Ernst – ich kenn’ die Leute nicht, vielleicht sind sie auch total nett, ist mir aber eigentlich auch total Schnuppe – Ich finde, das ist so schlimme Weichspüler-Musik! Die machen so auf Rock! Die sind so...ah, das ist so schlimm!

 

Conny: Wie Nickelback?

 

Ingo: Ja, ähnlich! Obwohl, die sehen vielleicht noch ein bisschen besser aus, als der Sänger von Nickelback! Ist der nicht zum hässlichsten Rockstar aller Zeiten gewählt worden, vom „Rolling Stone“ oder so? Würde ich unterschreiben!

Ich find’, „Sunrise Avenue“ ist einfach schlimm! Ich find’ die Musik schlimm, ich find’ schlimm, wie die mit diesem Rockimage kokettieren, aber so was von unrock sind. 

Wir haben letzten Sommer auf einem Festival gespielt, wo die auch gespielt haben und ich wäre beinahe eingeschlafen! Also die Musik ist: eingeschlafene Füße! Das ist wirklich die Apocalypse auf Platte gepresst! Ich find’s ganz fürchterlich!

Aber man kann ja auch nicht alles mögen! Du magst ja bestimmt auch nicht jede Band.

 

Conny: Nee, ich bin aber sehr vielseitig, was die Musik betrifft.

 

Ingo: Es sei jedem freigestellt – der das jetzt hier mitbekommt – hört doch was ihr wollt, aber hört bitte nicht „Sunrise Avenue“!

 

(wir lachen)

 

Conny: Gut, das war ein sehr gutes Schlusswort, möchte ich mal sagen!

Dann wünsche ich euch ganz viel Spaß heute Abend! 

 

Ingo: Vielen Dank!


Fotos vom Interview


Musikvideos zum damals aktuellen Album "Coma Chameleon"